Mit großem Interesse und unter lebhafter Beteiligung nahmen Schülerinnen und Schüler des GW in Esterwegen an einer Podiumsdiskussion zum Thema „Auf den Punkt gebracht: Demokratie stärken“ teil. Im Anschluss an diese Diskussion wurde den Klassen 10 während einer Führung über das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers Informationen darüber vermittelt und sie erhielten einen Einblick in den Alltag von KZ-Häftlingen, die den Grausamkeiten der Wachmannschaften schutzlos ausgeliefert waren.
Marlen Möhlenkamp (Klasse 10b) hat im folgenden Bericht ihre Eindrücke geschildert:
Am 02.09.2024 besuchten wir die Gedenkstätte des Konzentrations- und Strafgefangenenlagers in Esterwegen. Im Emsland gab es insgesamt 15 solcher Lager, und die Gedenkstätte in Esterwegen erinnert an alle. Das Emsland bot sich damals an, weil es eine verarmte Gegend mit vielen zu kultivierenden Mooren war, in denen die Häftlinge arbeiten mussten.
Wir starteten unseren Besuch mit einer ca. einstündigen Podiumsdiskussion. Eingeladen dazu hatte Hartmut Moorkamp, Mitglied im niedersächsischen Landtag. Als Podiumsgäste wurden Vize-Landtagspräsidentin Barbara Otte-Kinast, Martin Gerenkamp (Erster Kreisrat des Landkreises Emsland), Martin Koers (Historiker und Leiter der Gedenkstätte Esterwegen) sowie unsere Mitschüler Max Mertens und Dirk Book begrüßt. Moderiert wurde die Diskussion von Herrn Moorkamp. Dabei wurde deutlich, dass es den Politikern ein Anliegen ist, mit uns Jugendlichen über unsere Sichtweise der Demokratie ins Gespräch zu kommen. In die Diskussion wurden wir direkt durch Fragen von Herrn Moorkamp einbezogen, und wir hatten auch die Gelegenheit, selbst Fragen zu stellen. So wurden zahlreiche Fragen beispielsweise zum Schutz der Demokratie (Verbot verfassungsfeindlicher Parteien) oder auch zu Chancen und Risiken beim Einsatz von KI von den Podiumsgästen beantwortet, sodass ein reger Austausch entstand. Von besonderem Interesse war dabei für die Politiker die Frage, ob und wie wir uns von der Politik angesprochen fühlen und welche Ideen und Vorschläge wir zur Stärkung der Demokratie haben. Herr Koers konnte uns Schüler besonders davon überzeugen, wie wichtig die Aufklärungsarbeit ist, welche die Gedenkstätte leistet, um auf diesem Weg Rechtsextremismus vorzubeugen und die Demokratie durch Beteiligung zu stärken.
Nach dieser lebhaften und interessanten Diskussion ging es für uns zu einer Führung durch das Außengelände der Gedenkstätte, die in dieser Form seit 2011 existiert. Wir erfuhren, dass das KZ hauptsächlich ein Strafgefangenenlager war, in dem etwa 10 bis 20 % der Inhaftierten durch verschiedene Ursachen ums Leben gekommen sind. Todesursachen waren zu harte körperliche Arbeit, unzureichende Nahrung und Kleidung oder psychische und physische Belastungen, wie z.B. Prügelstrafen. Im gesamten Emsland starben mehr als 20.000 von insgesamt über 200.000 Inhaftierten. Eine genaue Anzahl ist jedoch schwer festzustellen, da viele sowjetische Gefangene, die ab 1941 in den Konzentrationslagern inhaftiert waren, in Massengräbern beigesetzt wurden, ohne dass man wusste, wer oder wie viele dort begraben wurden. In Esterwegen waren zeitweise sogar mehr als 2.000 Gefangene untergebracht, darunter Politiker, Homosexuelle, Kriegsgefangene und viele mehr. Die Anzahl der Wachleute betrug zeitweise bis zu 500, da Esterwegen als Ausbildungsstätte für Wachen diente und als „Pilotprojekt“ für weitere Lager dieser Art getestet wurde. Die Soldaten und Wachen sollten hier lernen, wie sie ihre Befehle auszuführen hatten.
Wir erfuhren, dass das, was in den Lagern geschah, kein Geheimnis in der Öffentlichkeit war, auch wenn im Nachhinein viele behaupteten, „nichts davon gewusst zu haben“, um sich und andere zu schützen und belastende Erinnerungen abzulegen. In Esterwegen war es sogar so, dass man die Bevölkerung zum Schwimmen im hauseigenen Schwimmbad im Bereich der Wachmannschaft, zu Fußballspielen gegen die Wachmannschaft oder zur jährlichen Ostereiersuche einlud. Natürlich konnten die Menschen auch sehen, wie die Häftlinge in den Mooren arbeiteten und behandelt wurden. Interessant war es auch zu sehen, dass der Wachmannschaftsbereich fast genauso groß war wie der Häftlingsbereich, in dem deutlich mehr Menschen lebten. Die Häftlingsbaracken, die hauptsächlich nur aus einem Schlaf- und einem kleinen Gemeinschaftsraum bestanden, waren für jeweils 100 Personen ausgelegt und oft überfüllt. Im Häftlingsbereich war auch ein Funktionsbereich vorhanden, in dem die Häftlinge arbeiten mussten. Im Gegenzug dazu gab es im Wächterbereich viele Freizeitaktivitäten, wie z.B. ein Schwimmbad und einen Aussichtspunkt mit Tisch und Bänken, von dem aus man das gesamte Gelände überblicken konnte. Das Gelände für die Wachmannschaften war mit Bäumen und Pflanzen wie ein Park angelegt, um den Wachen, die aus verschiedenen Teilen des Landes kamen, die Zeit im Emsland angenehmer zu gestalten. Befremdlich ist, wie nah Vergnügen und Tod und Elend vieler Menschen nebeneinander lagen.
Aufmerksam gemacht wurden wir darauf, dass ein Denkmal für zwei Wachen in der NS-Zeit errichtet worden sind, die auf dem Gelände verstorben sind. Einer dieser beiden soll sich versehentlich beim Reinigen seiner Waffe selbst erschossen haben. Das erscheint absurd, wenn man bedenkt, dass keiner sich für die getöteten und leidenden Häftlinge einsetzte. Auf die über 20.000 Toten, die auf verschiedenste und brutalste Weise (unter anderem durch Prügelstrafen) ums Leben gekommen sind, wurde allerdings kein Wert gelegt, und sie wurden wortwörtlich totgeschwiegen.
Gerne hätten wir noch mehr Zeit in der Gedenkstätte verbracht, um auch noch beispielsweise die Ausstellung im Innenbereich mit vielen Funden, wie z.B. echter Kleidung aus der damaligen Zeit, zu besuchen. Was jedoch positiv war, ist, dass wir während der ca. einstündigen Führung auch eigene Fragen stellen konnten, uns ein Überblick vermittelt wurde und wir anschaulich einen Einblick in den Alltag von KZ-Häftlingen erhielten. Um eine intensivere Auseinandersetzung mit dem Thema „Demokratie stärken“ zu erreichen, wäre es auch sinnvoll gewesen, nach der Führung an der Podiumsdiskussion teilzunehmen, da wir uns noch besser in die Vergangenheit hätten hineinversetzen können und uns die Bedeutung dieser für die Demokratie heute bewusster geworden wäre.
Insgesamt ist eine Führung über das Gelände des ehemaligen KZ nur zu empfehlen, vor allem, wenn man eine solche Gedenkstätte direkt in der Nähe hat.